Als Trainer bekommt man immer wieder die Frage gestellt, welche Art des Warm-Ups am besten geeignet ist. Die Antwort lautet wie so häufig: „Es kommt darauf an“. Die Zeiten in denen das Warm-Up lediglich aus 10 bis 15min Laufband, Fahrradergometer oder Crosstrainer bestand, sind vorbei. Auch das typische Aufwärmprogramm eines Kraftsportlers mit ein bis zwei Sätzen bei leichter bis moderater Last, erscheinen zumindest isoliert betrachtet nicht mehr zeitgemäß. Aktuelle Strategien befassen sich mit verschiedenen Mitteln und Methoden der Bewegungsvorbereitung im Rahmen eines dynamischen Warm-Up-Programms.
Diese sogenannten Movement-Preparation-Strategien stellen im Verlauf der Weiterentwicklung eines funktionellen Trainingsansatzes eine logische Konsequenz dar, den Organismus des Trainierenden als Ganzheit zu betrachten und die verschiedenen Subebenen auf eine vielfältige Reizsetzung im Trainingsprogramm vorzubereiten. Diese Subebenen betreffen sowohl den aktiven und passiven Stütz- und Bewegungsapparat, das Herzkreislauf- und Atmungssystem als auch den Stoffwechsel. Auch die Aktivierung der Bahnung zwischen dem peripheren und zentralen sowie autonomen Nervensystem in Verbindung zwischen Sensorik und Motorik wird hierbei mit aufgegriffen.
In den letzten Monaten wurden bereits viele Beiträge zur Thematik Warm-Up veröffentlicht. In diesem Beitrag werden ergänzend zu diesen Praxisbeiträgen verschiedene Strategien zur Bewegungsvorbereitung vorgestellt, um überblicksartig mögliche Kategorien aufzuzeigen. Diese Kategorien werden hier auf den Punkt gebracht, um diese für bestimmte Zielstellungen in der jeweiligen Trainingseinheit gezielt auszuwählen und anzuwenden. Zwischen diesen Kategorien existieren zum Teil große Schnittmengen, dennoch sollen Trainerinnen und Trainer dafür sensibilisiert werden, bewusste Entscheidungen für die Zusammenstellung eines individuellen Warm-Up-Programms bezugnehmend auf die jeweilige Zielstellung in den Hauptteilen der Trainingseinheit zu treffen.
Soft Tissue Work
Hier geht es darum das Gewebe auf die Belastung vorzubereiten. Genutzt wird dabei die Technik des Myofaszial-Release mit Hilfe der Foam Roll oder anderen Hilfsmitteln. Ziel ist es, Verklebungen im Gewebe zu lösen und diese Bereiche damit optimal auf das Training vorzubereiten. Bearbeitet werden vor allem die Bereiche, die für das spätere Training wichtig sind und individuelle Schwachpunkte, diese gilt es durch verschiedene Test- und Diagnosetools herauszufinden. Genauere Einzelheiten zum myofaszialen Training sind in diversen anderen Beiträgen im Functional Training Magazin erschienen.
Active Isolated Stretching und Dynamic Stretching
Dynamic Stretching dient der Verbesserung der Beweglichkeit, durch kurz gehaltene Dehnpositionen, welche durch eine aktive Bewegung hervorgerufen werden. Sie bereiten so den Körper auf die kommenden Belastungsanforderungen im Rahmen der möglichen Range of Motion der Körpergelenke vor. Mit Hilfe des Active Isolated Stretching wird gezielt die Flexibilität verbessert; vor allem in Bereichen, in denen individuelle Defizite vorliegen oder die für das folgende Training wichtig sind. Aktiv dynamische Stretching-Varianten weisen dabei eine große Schnittmenge mit Mobilitätsübungen auf.
Mobility Work
Ziel dieser Übungen ist es, die Mobilität zu verbessern. Die Mobilität setzt sich aus der Flexibilität der Muskulatur und des Bindegewebes sowie dem möglichen Bewegungsausmaß des Gelenkes zusammen. Spezielle Übungen fördern diese Bereiche gezielt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass für die meisten Menschen eine Verbesserung im Bereich Sprunggelenk, Hüfte und Brustwirbelsäule wünschenswert und auch leistungsfördernd ist. Beim Mobilitätstraining werden einzelne Muskeln und Muskelketten durch gezielte Bewegungen aktiviert, es erfolgt also immer durch eine willkürliche und aktive Ansteuerung.
Core Activation
Die Aktivierung des Cores betrifft neben dem Rumpf auch den Schulter- und Hüftgürtel. Diese Bereiche werden aktiviert, um später beim Training Stabilität in vertikaler und horizontaler Richtung geben und Kraftimpulse auf die oberen und unteren Extremitäten übertragen zu können. Neben Plankvariationen, können hier z.B. auch der Handwalk für den Schultergürtel und die Glutebridge für den Hüftgürtel durchgeführt werden. Einzelne Übungsausführungen zur Brustwirbelsäulenmobilisierung dienen dabei parallel der Aktivierung in der rumpfstabilisierenden Muskulatur. Auch in diesem Bereich kann also sehr zeitsparend mit der Kombination aus verschiedenen Zielstellungen gearbeitet werden.
Movement Integration
Die Einbindung von Bewegung wie Skippings, Kniebeugen oder Lunges fördert die Erhöhung der Körperkerntemperatur und bereitet den Organismus auf die nachfolgenden Belastungsanforderungen vor. Herz-Kreislauf-, Atmungs- und Stoffwechselsystem sowie das vegetative und zentrale Nervensystem werden hierbei integriert und zeitökonomisch aktiviert. Formen des Lauf-ABC’s können hierbei ebenfalls sinnvoll eingebaut werden. Aus diesem Grund sollten die Bewegungen so gewählt werden, dass sie zur nachfolgenden Belastung passen. So sind beispielsweise für einen Sprinter vor allem lineare Bewegungen und für einen Tennisspieler Bewegungen die lateral verlaufen, besonders geeignet.
Neural Activation
Vor allem im Alter sollte auf diese Art des Trainings und der Bewegungsvorbereitung nicht verzichtet werden, da die Fähigkeit der Muskulatur schnell zu reagieren in der Lebensspanne deutlich abnimmt. Zudem ist es für die Sturzprophylaxe besonders wichtig, da durch das Training die geforderten Aktivierungsabläufe in den beanspruchten Muskelketten besser funktionieren. Durch die Übungen wird die Ansteuerung der Muskulatur über das zentrale und periphere Nervensystem verbessert. Hier reichen kleine schnelle Sprünge oder Sprints am Ort aus, um eine Verbesserung zu erzielen und die Reizleitung für das folgende Training zu aktivieren. In aktuellen Empfehlungen zur Leistungssteigerung in Folge eines funktionellen Warm-Up-Programms wird in diesem Zusammenhang auch die Begrifflichkeit der Post-Activation-Potentiation verwendet.
In welchem Umfang welche Strategie und welche Übungen gewählt werden, hängt von der nachfolgenden Belastungsgestaltung sowie den Stärken und den Defiziten der Trainierenden ab. Nicht für jede Belastung muss das vollständige Programm durchlaufen werden. Ziel sollte es sein, sinnvoll und zeitökonomisch bestimmte Schwerpunkte individuell für das Warm-Up-Programm zusammenzustellen. Somit lässt sich mit einer durchdachten Strategie zur Bewegungsvorbereitung das Erwärmungsprogramm zusätzlich für mittelfristige Zielstellungen nutzen. Bei 2 bis 3 Trainingseinheiten pro Woche macht das addiert eine Interventionszeit von 30 bis 45 Minuten die effektiv nicht nur für die kurzfristige Bewegungsvorbereitung genutzt werden sollte. Denn Zeit ist ja bekanntlich gleich Kapital – unser Körper dementsprechend auch. Durch den kreativen und variablen Einsatz unterschiedlicher Übungen, kann somit auch die allgemeine Bewegungs- und Wahrnehmungskompetenz gefordert und gefördert werden.
Wenn ihr Anregungen zum Beitrag habt oder zusätzliche Strategien hinzufügen würdet, meldet euch bei uns. Wir stehen für einen Austausch jederzeit zur Verfügung.
Euer Dr. Thomas Gronwald und Claas Benk
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